Das Liszt-Zentrum Raiding (Doborján), der Geburtsort Franz Liszts im ehemaligen Esterházy-Meierhof, setzt dem Geist und dem musikalischen Erbe des weltweit berühmten Virtuosen ein würdiges Denkmal. Der nach gründlicher Restaurierung seit diesem Frühjahr wieder genutzte, moderne Komplex ist die Heimat des traditionsreichen, jährlich stattfindenden Liszt-Festivals. Im Oktoberprogramm stehen gleich drei Konzerte im Zeichen der ungarischen Kultur.
Die renommierte Festivalreihe bietet auch heuer ein reiches Programm: klassische Konzerte, Familienangebote und spannende Thementage – von Werken Beethovens über Kompositionen Bachs bis hin zur Welt der Filmmusik und des Jazz. In zahlreichen Stilrichtungen können Besucherinnen und Besucher Musik auf vielfältige Weise erleben. Jeden Herbst bietet das Festival die besondere Gelegenheit, dem Kosmos eines der größten Komponisten und Pianisten des 19. Jahrhunderts näherzukommen. Im ersten Zyklus des diesjährigen Programms finden sich drei Konzerte, die in besonderer Weise mit der ungarischen Kultur verbunden sind – nicht nur über Franz Liszts Gesamtwerk, sondern auch über die Interpretinnen und Interpreten und die gewählten Programme.

„Der Auftritt des Orchester Wiener Akademie am 12. Oktober, das gemeinsame Konzert des Liszt Ferenc Kammerorchesters und des Sárközy Triós am 16. Oktober sowie Suzana Bartals monumentaler Klavierabend am 18. Oktober zeichnen einen chronologischen Bogen: von Liszts Kindheitserlebnissen über die Ungarischen Rhapsodien bis zur geistigen Reise des Zyklus Années de pèlerinage (Pilgerjahre)“, erläuterte József Gátas, Produktionsleiter des Liszt-Zentrums.
Franz Liszts Leben begleiteten jene Volkslieder, die er in seiner Kindheit in seinem Heimatdorf Doborján/Raiding hörte. Aus diesen Eindrücken entstanden im Winter 1839/1840 in Pest die „Ungarischen Rhapsodien“, die später zu einem der wichtigsten musikalischen Symbole der nationalen Romantik wurden. Die neunzehn Stücke sind für Klavier geschrieben; sechs davon kleidete Franz Doppler – Flötist, Dirigent und Liszts Weimarer Freund – in ein Orchestergewand.
„Am 12. Oktober bringt die Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck diese selten zu hörenden Bearbeitungen zur Aufführung. Die Besonderheit des Abends liegt genau darin: Das Publikum begegnet nicht den wohlvertrauten Klavierstimmen, sondern erlebt die mitreißende Kraft und Farbenfülle der Ungarischen Rhapsodien im Klang des großen Orchesters. Heinrich Heines Worte – ‚Liszt kann nicht der stille Pianist der ruhigen Bürger und behaglich Dösenden sein‘ – weisen präzise auf jene unruhige Energie, die in diesen Werken steckt, sei es am Klavier oder mit vollem Orchester“, empfahl der Produktionsleiter das klassisch-musikalische Abenteuer.

Das zweite Ereignis mit ungarischem Bezug erwartet das Publikum am 16. Oktober. Das seit rund sechs Jahrzehnten bestehende Liszt Ferenc Kammerorchester wird seit 2020 von einem der bekanntesten musikalischen Botschafter Ungarns, dem weltberühmten Cellisten István Várdai, geleitet. Várdai tritt diesmal nicht nur als Dirigent, sondern auch als Solist in Haydns Cellokonzert C-Dur auf – einem Sinnbild für Lebensbejahung und klassische Heiterkeit. Eine weitere Besonderheit des Abends ist der Auftritt des legendären Sárközy Triós. Das Ensemble beschwört den Reichtum der ungarischen Zigeunermusik-Tradition und hat mit Virtuosität und leidenschaftlicher Bühnenpräsenz bereits Konzertsäle auf der ganzen Welt erobert.
„Im gemeinsamen Konzert rücken durch Werke von Liszt, Haydn, Kodály und Leó Weiner die Vielfalt und Zeitlosigkeit der ungarischen Musiktradition in den Vordergrund. Der Titel des Programms, ‚Éljen a magyar!‘ – ‚Es lebe der Ungar!‘ –, ist nicht bloß ein Ausruf, sondern ein Bekenntnis: Orchester und Trio feiern gemeinsam das reiche Erbe der ungarischen Kultur“, so József Gátas, der auch den Ausblick gab: „Am 18. Oktober spielt die ungarisch-französische Pianistin Suzana Bartal Liszts gesamten Zyklus Zarándokévek / Années de pèlerinage (Pilgerjahre) in einem nahezu vierstündigen Marathonabend. Dieser dreiteilige Zyklus zählt zu Liszts bedeutendsten Klavierwerken: Erstes Jahr: Schweiz, Zweites Jahr: Italien und die Stücke des Dritten Jahres spiegeln die Reisen des Komponisten, seine inneren Kämpfe und künstlerischen Inspirationen.“

Im „Jahr der Schweiz“ inspirierten Naturbilder, die Erhabenheit der Alpen und die romantische Literatur – etwa Senancours „Vallée d’Obermann“ – die Stücke. Im „Jahr Italiens“ manifestiert sich der Einfluss von Renaissancekunst und -literatur: Raffaels Malerei, Petrarcas Sonette und Michelangelos Dichtung erklingen in musikalischer Form. Das dritte Heft zeigt die dunklere, spirituelle Welt von Liszts späteren Jahren: Trauermärsche, religiöse Themen, Motive von Tod und Vergänglichkeit – mit impressionistischen und expressionistischen Elementen, die in die Moderne weisen.
„Der Gesamtzyklus der Années de pèlerinage (Pilgerjahre) ist selten live zu hören. Durch Suzana Bartals technische Virtuosität und Ausdruckskraft entfalten die 26 Stücke nicht nur ihre Wirkung, sondern eröffnen eine ganze Welt. Dieses Konzert ist auch für das Publikum eine echte Pilgerreise: ein Weg nach innen, auf dem Naturbilder, literarische Anspielungen und Liszts Innenwelt zugleich Stimme erhalten. Eine besondere Delikatesse – nicht nur ihrer Länge wegen“, schloss József Gátas.
Gemeinsamer Nenner der drei Konzerte ist ihre enge Verbindung zu Franz Liszts ungarischem Erbe und zu jenem kulturellen Hintergrund, der durch seinen Heimatort Doborján symbolisiert wird. Liszt, der einen Großteil seines Lebens in den Metropolen Europas verbrachte, vergaß nie jene ungarische Klangwelt, die er in seiner Kindheit hörte. Diese Melodien inspirierten seine Rhapsodien und schwingen ebenso im Hintergrund seiner religiösen und philosophischen Werke mit. Die drei Abende des aktuellen Liszt-Festivals geben diesem geistigen Erbe eine Stimme – von der Sogkraft orchestraler Bearbeitungen über den Reichtum kammermusikalischer Traditionen bis hin zu einer der größten Leistungen der Klavierkunst.
Text: Mónika Gombás
Übersetzung: Pathy





































