Unter dem Titel „Die Gräflich Erdődyschen Industriewerke und die Herrschaft Rotenturm“ ist ein zweisprachiger Band mit wissenschaftlichem Anspruch über die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Grafenfamilie Erdődy im 19. und 20. Jahrhundert erschienen. Das Buch, das sich auf die industriellen und landwirtschaftlichen Entwicklungen der Herrschaft Rotenturm konzentriert, wurde vom Ungarischen Medien- und Informationszentrum (UMIZ) in Unterwart herausgegeben und am 9. Mai im Gemeindesaal von Siget in der Wart feierlich präsentiert – im Beisein zahlreicher lokaler Interessierter sowie fachkundiger Forscher und Heimatkundler.
Der vom Karl Kraus verfasste Band beleuchtet ein bislang eher wenig erforschtes, jedoch umso bedeutenderes Kapitel der Regionalgeschichte: die wirtschaftliche und infrastrukturelle Rolle der Grafenfamilie Erdődy im Leben des Burgenlandes im 19. und 20. Jahrhundert. Der Autor betrieb rund acht Jahre lang Forschungsarbeit, deren Ergebnis ein wissenschaftlich fundiertes Werk von hohem Quellenwert ist. Die reich bebilderte Publikation basiert auf nahezu fünfhundert Archivalien; der überwiegende Teil der verwendeten Dokumente stammt aus heimischen und österreichischen Archiven – unter anderem aus Wien, Budapest, Szombathely und Eisenstadt – und vermittelt ein umfassendes Bild der Wirtschaftsgeschichte der Region.

Die ungarischsprachige Übersetzung wurde von László Kelemen, dem Leiter des UMIZ-Instituts, angefertigt. Bei der Präsentation betonte er, dass das wirtschaftliche Erbe der Familie Graf Erdődy bislang noch nie in einer derart umfassenden Weise aufgearbeitet worden sei. „Wir halten nicht bloß das Ergebnis einer über mehrere Jahre hinweg mit Leidenschaft und Engagement betriebenen Datensammlung in den Händen, sondern ein einzigartiges, lückenfüllendes Grundlagenwerk, das auch deshalb von großer Bedeutung ist, weil es als zweisprachige Ausgabe erschienen ist – und somit sowohl das ungarisch- als auch das deutschsprachige Publikum anspricht und das kulturelle Erbe der Volksgruppe bereichert“, hob der Institutsleiter hervor.Er erläuterte weiters, dass das nun erschienene Buch die Fortsetzung einer früheren Publikation darstellt. „Der Autor hat nicht nur ein Buch über ein Mitglied der Grafenfamilie Erdődy verfasst, sondern auch mehrere wissenschaftliche Artikel sowohl im Burgenland als auch in Ungarn veröffentlicht. Diesmal beleuchtet er das Thema aus wirtschaftlicher Perspektive: Das reich illustrierte und inhaltlich wertvolle Werk behandelt die von Graf Erdődy gegründeten gewerblichen Betriebe – die später in eine Aktiengesellschaft übergingen – sowie das Gut in Rotenturm. Für unseren Verein ist es eine besondere Freude, dass wir Karls zweites Buch herausgeben dürfen.“






Die historische und wirtschaftliche Bedeutung der Grafenfamilie Erdődy war herausragend; ihre Mitglieder zählten zu den Pionieren der Industrialisierung und der Modernisierung der Landwirtschaft und spielten eine außergewöhnliche Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung der Region. Sie besaßen nicht nur Güter in Rotenturm, sondern beispielsweise auch in Nordostungarn, in Oberungarn (heute Slowakei) sowie in Kroatien. Die aristokratische Familie erfreute sich großen Ansehens bei der Bevölkerung des Burgenlands. Die Einheimischen kannten sie gut – die Kutsche von Graf Tamás Erdődy wird zum Beispiel im Heimatmuseum in Unterwart aufbewahrt.

Karl Kraus, Mitglied des Ausschusses für Orts- und Regionalgeschichte des Ungarischen Medien- und Informationszentrums in Unterwart, ist von Beruf Kaufmann. Er ist in Rotenturm an der Pinka aufgewachsen und hat als Kind viel am ehemaligen Gut der Familie Erdődy gespielt. Seine Großmutter hat ihm oft von früher erzählt – diese Geschichten sind ihm so lebhaft in Erinnerung geblieben, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit zu seinem liebsten Hobby wurde. Er bezeichnet sich selbst als heimatkundlichen Hobbyforscher.
Karl Kraus hob bei der Buchpräsentation einige wichtige Passagen aus dem Band hervor. Er erzählte vom Einführen der Elektrizität, das auf Initiative der Familie Erdődy zurückging. Den Anfang machte Pinkafeld im Jahr 1906, danach folgte Eisenstadt und schließlich Oberwart. Ab 1911 gab es in der Ortschaft eine öffentliche Beleuchtung – ein bedeutender Meilenstein im damaligen ländlichen Raum. In der Folge – im Jahr 1915 – wurden auch in Großpetersdorf und Jabing Stromnetze errichtet. György Erdődy trug als Mitglied der Königlichen Landwirtschaftskammer mit eigenen technischen Erfindungen zur Entwicklung der Landwirtschaft bei. Eines seiner bekanntesten Geräte – ein Mistwagen – gilt heute als zeitgeschichtliches Dokument und ist als Museumsstück erhalten. Er experimentierte damit, wie die Landwirtschaft effizienter werden und hochwertigere sowie größere Erträge liefern könne. Sein Sohn, István Erdődy, führte die Familientradition fort und leistete – ganz im Sinne seiner Vorfahren – ebenfalls einen produktiven Beitrag zur Industrialisierung. Er ließ eine Dampfmühle errichten, in der Turbinen zum Einsatz kamen, und gründete auch ein Sägewerk. Mit seinem Tod im Jahr 1917 hinterließ er seinen Nachkommen ein starkes Wirtschaftsunternehmen.

Das erste Buch handelt von Graf Tamás Erdődy, es wurde bisher nur auf Deutsch veröffentlicht. Dank des Szülőföld Verlags aus Szombathely wird jedoch bald auch eine ungarische Übersetzung erscheinen. Dieser Band ist bereits zweisprachig, und auch die weiteren Ausgaben werden sowohl auf Ungarisch als auch auf Deutsch lesbar sein. Dies liegt nicht nur daran, dass es zur Mission des UMIZ gehört, die ungarische Sprache und Kultur zu pflegen, sondern auch daran, dass sich die Familie Erdődy – wie der Adel im Allgemeinen – selbst als mehrsprachig verstanden hat. Bei der Veranstaltung wurde erwähnt, dass nun der erste Teil des Themas erschienen ist, während die Vorbereitung des zweiten Teils bereits im Gange ist. Dieser wird voraussichtlich Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres in den Druck gehen. Die Buchreihe kann einen Beitrag zum besseren Verständnis der Wirtschaftsgeschichte der Region leisten sowie zur Aufarbeitung der lokalen Aspekte der industriellen Entwicklung.
Fotos: Mónika Gombás
Übersetzung: Pathy