Eine Theaterkritikerin beschrieb sie einst als „Königin der Vielseitigkeit“. Sie ist eine außergewöhnliche Erscheinung auf der Bühne, im Alltag eine liebenswerte, einfache und offene Persönlichkeit. Sie wuchs zweisprachig auf und bezeichnet sich selbst als ungarischsprachige Österreicherin. Sie ist stolz darauf, die Welt seit ihrer Kindheit aus zwei Perspektiven zu betrachten. Die aus Unterwart stammende Schauspielerin, Barbara Horvath, gehört zum Ensemble des Residenztheaters in München.
Im multiethnischen Burgenland wuchs sie zweisprachig auf: Geboren in Oberwart, lebte sie in Unterwart und machte am Gymnasium in Oberschützen ihre Matura in Ungarisch. Mit ihren Großeltern sprach sie ausschließlich Ungarisch. Für sie war es selbstverständlich, im Kindergarten und in der Schule mit Roma, Kroaten und Österreichern zusammen zu sein. Ihrer Meinung nach ist dies eine Besonderheit Österreichs. Sie ist stolz auf ihre ungarische Herkunft.

„Ich bin sehr glücklich, diese besondere Sprache zu kennen. Wenn ich jemanden treffe und es sich herausstellt, dass ich Ungarisch spreche, staunen sie, denn es ist eine komplizierte Sprache. Für jemanden ohne Verbindung zum Ungarischen ist es schwer, diese Sprache zu lernen. Für mich ist es ein Geschenk des Lebens.
Ich bin zweisprachig aufgewachsen, das bedeutete für mich zwei verschiedene Perspektiven, zwei Stimmungen, in denen ich groß wurde, und zwei unterschiedliche Sichtweisen der Welt.
Beide Sprachen haben ihre eigenen Ausdrücke, eine einzigartige Aussprache und schaffen eine besondere Atmosphäre, eine das Deutsche, eine andere das Ungarische. Ich habe die Möglichkeit, in beiden zu Hause zu sein. Ich sehe mich nicht als Ungarin, ich bin eine ungarischsprachige Österreicherin. Burgenland bedeutet nicht nur Deutsch, sondern auch, dass man Ungarin, Kroatin, Slowenin oder Romni sein kann – oder von allem etwas. Das habe ich immer geschätzt.“

Schon in ihrer Kindheit spielte sie gerne bei Krippenspielen mit, trat in Schulaufführungen auf und las in der Kirche vor. Sie interessierte sich für Literatur, aber nach der Matura dachte sie zunächst nicht daran, diesen Weg einzuschlagen. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wien. Sie ging oft ins Kino, Theater und zu Ausstellungen und sog die Kultur in sich auf. Dabei wurde ihr klar, dass sie sich beruflich der darstellenden Kunst widmen möchte. Sie bewarb sich an der Schauspielschule des Wiener Volkstheaters und wurde beim zweiten Versuch aufgenommen. Drei Jahre lang hat sie sich in einer inspirierenden und guten Gemeinschaft weitergebildet und das Schauspielhandwerk erlernt.
Ihre erste Rolle spielte sie auf der Bühne des Burgtheaters in Wien in der Dreigroschenoper, wo sie im Chor mit einer kleinen Rolle debütierte. Nach zwei Saisons setzte sie ihre Karriere als freischaffende Schauspielerin fort und trat in mehreren Wiener Theatern auf, darunter im Theater der Jugend, dem Rabenhof Theater und dem Schauspielhaus.

„Ich liebe Literatur. Ich mag es, Worte zum Leben zu erwecken und das hervorzubringen, was nicht in Buchstaben geschrieben ist. Ich möchte die Welt zeigen, die dahinter liegt. Mein Wunsch ist es, dass der Zuschauer nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen und der Seele versteht, was ich mitteile, worum es in der Aufführung geht, was ihre Botschaft ist. Ich liebe es, mich in jede Art von Leben hineinzuversetzen und jede Art von Gedanken zu vermitteln, denn dadurch erweitert sich mein Blick auf die Welt. Nicht zuletzt bereite ich damit auch Freude.“
Im Jahr 2009 wurde ihr Sohn geboren. Sie wohnten in der Nähe des Schauspielhauses, was es ihr ermöglichte, in einem kleineren Stück auf die Bühne zurückzukehren. Früher hat sie bereits zwei Saisons mit dem Ensemble gearbeitet und dabei positive Erfahrungen gesammelt, daher hat sie sich hier verpflichtet. Im Jahr 2015 wurde der damalige Direktor, Andreas Beck, nach Basel in die Schweiz eingeladen, um dort zu inszenieren. Er stellte der Gruppe die Frage, wer ihn begleiten würde. Barbara und ihre Familie folgten ihm. Sie zogen in einen Ort in der Nähe von Basel, nahe der deutsch-schweizerisch-französischen Grenze. Ihr kleiner Sohn war damals sechs Jahre alt und begann dort die Schule. Diese Jahre waren prägend für Barbara. Vier Jahre später erhielt der Direktor erneut ein Angebot, und so zogen sie 2019 nach München. Seitdem ist sie als Mitglied des Ensembles des Residenztheaters bekannt.
In der eigenen Online-Produktion des Theaters spricht Barbara mit dem Regisseur Andreas Beck darüber, dass ein Kritiker sie einst als „Königin der Vielseitigkeit“ bezeichnete. Es wird auch thematisiert, welche Verbindung dies zu Simon Stone, Meryl Streep und der Freude an Überraschungen hat.
Die Gewehre der Frau Carrar – Erstickendes Blei hatte kürzlich Premiere – am 14. Dezember. Im Jahr 1938 schlug Brecht vor, sein Werk auch als Dokumentarfilm zu präsentieren. Stattdessen beauftragte das Residenztheater den Dramatiker Björn SC Deigner, mit einem eigenen Text die bedrängende Frage Brechts in der Gegenwart zu untersuchen. Das Drama sucht eine Sprache für den zeitlosen Schrecken von Krieg und Zerstörung.
„Der Leiter der Theatergruppe ist der Meinung, dass jeder jede Rolle spielen sollte – so ist es gerecht. Manchmal eine Charakterrolle, manchmal eine Hauptrolle – in allem kann man sich entfalten, und so spielte ich jede Art von Charakteren. Zurzeit spiele ich in einer Bertolt-Brecht-Adaptation die Titelrolle Teresa Carrar, die Frau eines Fischers.“
Als Werner Schwab (Foto: Schauspielhaus Wien). Das Stück Die Träume der Abwesenden erzählt die Geschichte einer jüdischen Familie (Foto: Residenztheater), Kapitän Ahab in Moby Dick (Foto: Residenztheater).
Barbara schlüpft im „Moby Dick“ von Aufführung zu Aufführung in die Rolle des Kapitäns Ahab, verkörpert Kassandra im „Agamemnon“, ist als Olga in Tschechows „Drei Schwestern“ zu sehen, spielt die Baronin von Reindl im „Erfolg“, in Jean-Paul Sartres Werk „Die Fliegen“ eine Lehrerin, und im klassischen Lustspiel „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare – in dem die Grenze zwischen der Feenwelt und der Realität infrage gestellt wird – kann das Publikum sie in der Rolle der Petra Squenz genießen.
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Tony Kushners ikonisches, zeitgenössisches, zwei Abende füllendes Drama Angels in America wird vom Münchner Theater an einem Abend vorgeführt. Mit Pausen dauert die Aufführung fast sechs Stunden und stellt sowohl für die Schauspieler als auch für das Publikum eine erhebliche physische und psychische Herausforderung dar. Barbara tritt in mehreren Rollen auf der Bühne auf.
Es kam schon vor, dass sie auch auf Ungarisch gespielt hat: Mit dem Regisseur András Dömötör, der oft am Deutschen Theater in Berlin arbeitet, hat sie auch in Basel zusammengearbeitet. Zuletzt hat er in München eine Komödie inszeniert, in der Barbara eine aus Osteuropa ausgewanderte Dienstmagd spielte.
„András hat mir einen ungarischen Text geschrieben. Ich sprach das Publikum direkt an, das meinen Text mit deutschen Untertiteln lesen konnte. Es war eine interessante Erfahrung, obwohl ich anfangs Bedenken hatte, doch der Regisseur hat mir viel geholfen. Es war auch schön – während der Adventszeit machen wir immer Wohltätigkeitsarbeit, das Ganze war rund und stimmig.
Nach der Aufführung kamen mehrere Zuschauer auf mich zu und erzählten mir gerührt, wie sehr sie von der ungarischen Sprache berührt waren. Sie hätten nie gedacht, dass sie gerade in München so ein Erlebnis haben würden, das auch für mich etwas ganz Besonderes war.“
Das außergewöhnliche zeitgenössische Theaterstück mit dem Titel (Nicht) Mütter! besteht aus Interviews mit zweiundzwanzig Frauen: über Entscheidungen, Zweifel, Ängste, Geburten, Entbindungen, Abtreibungen, Transformationen und mutige Taten. Das Publikum erhält Einblicke in die vielfältige, realistische und oft harte Wirklichkeit verschiedener Frauen. Dabei begegnen die Zuschauer Perspektiven, Erfahrungen und Gefühlen, die in der Gesellschaft nach wie vor als Tabu gelten.
Barbara besucht ihre Heimatgemeinde Unterwart zwei- bis dreimal im Jahr: im Sommer während der Theaterpause für mehrere Wochen und rund um Weihnachten für ein paar Tage. Sie verfolgt aufmerksam die Aktivitäten des heuer bereits 42 Jahre alten Zweisprachigen Theatervereins und Kulturkreises von Unterwart.
„Ich finde es gut, dass die Menschen Theatergruppen besuchen, ihre unbekannten, neuen Seiten zeigen und Erlebnisse miteinander teilen, insbesondere in der heutigen Welt, in der Computer und Smartphones die Mitglieder der Gesellschaft einander entfremden. Ich wünsche ihnen, dass sie noch lange weitermachen! Ich wünsche allen ein friedliches Weihnachtsfest!“
Hervorgehobenes Bild: @Marius Lechner, weitere Fotos: @Joel Heyd
Text: Mónika Gombás
Übersetzung: Pathy